von Annika
Proteine gehören neben Fetten und Kohlehydraten zu den Grundnährstoffen. Letztere liefern vor allen Dingen Energie für den Körper, während Proteine eher Baustoffe darstellen. Das ist besonders im Alter von entscheidender Bedeutung, denn viele Folgen des Alterns sind auf eine Reduktion an Proteinen im Körper zurückzuführen. Wie genau sind die Zusammenhänge und was lehren sie uns über gesundes Altern?
Quelle: RitaE auf Pixabay
Proteine sind die Bausteine des Lebens. Aus ihnen werden Zellen zusammengebaut, die sich zu größeren Strukturen wie Geweben und Organen zusammenschließen. Doch nicht nur der Aufbau dieser
Strukturen, auch ihre Funktion hängt von Proteinen ab. Sie bilden unter anderem Hormone, Transportmoleküle oder Antikörper und stellen so die Kommunikation im Körper sicher.
All diese Proteine müssen in einem fortlaufenden Zyklus permanent erneuert oder ausgetauscht werden, wodurch ein immenser Bedarf an Proteinen besteht. Um diesen großen Bedarf zu decken, werden
alle benötigten Proteine in den Zellen des Körpers selbst produziert. Dieser Prozess wird Proteinbiosynthese genannt. Die Baupläne für die Proteine liegen im Erbgut, der DNA.
Für die Herstellung der unterschiedlichen Proteine werden wiederum dessen Bausteine benötigt, die Aminosäuren. Ein Großteil der benötigten Aminosäuren kann vom Körper selbst hergestellt werden,
sie sind nicht-essentiell. Dem gegenüber stehen 9 essentielle Aminosäuren, die mit der Nahrung aufgenommen werden müssen. Im Zuge der Proteinbiosynthese werden alle benötigten Aminosäuren zu
Proteinen zusammengebaut. So werden verschlissene Zellen ausgetauscht, Hormone produziert, Wunden verschlossen, Haare zum wachsen gebracht oder Immunreaktionen in Gang gesetzt. Kurz um: Proteine
ermöglichen das Leben.
Im Alter verlangsamt sich die Proteinbiosynthese
Der Alterungsprozess beruht auf einer ganzen Reihe unterschiedlicher Mechanismen, die dazu
beitragen, dass Prozesse im Körper nicht mehr so reibungslos ablaufen wie in jungen Jahren. Einer dieser Prozesse ist die Proteinbiosynthese, dessen Rate mit steigendem Alter stetig abnimmt. Die
eingeschränkte Funktion der Proteinneubildung macht sich besonders bei der Muskulatur bemerkbar. Sie führt dazu, dass der Mensch ab dem 50. Lebensjahr jährlich etwa 2% seiner gesamten Muskelmasse
verliert. Die Ursache hierfür ist eine negative Bilanz bei der Bildung von Muskelproteinen.
Muskelproteine sind eine Sammelbezeichnung für all diejenigen Proteine, die am Aufbau der Muskulatur beteiligt sind. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Proteine Aktin und Myosin, die
gemeinsam die kontraktile Einheit einer Muskelzelle bilden. Diese sind nicht immer in gleicher Anzahl im Muskel vorhanden. Durch Training und eine proteinreiche Ernährung wachsen Muskelzellen an,
indem sie mehr Muskelproteine einlagern. Ein Blick auf die Oberarme von Bodybuildern zeigt, wie sehr ein normaler Muskel durch eine vermehrte Einlagerung von Muskelproteinen an Volumen zunehmen
kann.
Bei jedem Menschen, auch beim Bodybuilder, werden Muskelproteine aber nicht nur aufgebaut, sondern auch permanent abgebaut. Das liegt vor allen Dingen daran, dass sie mit der Zeit verschleißen
und nicht mehr richtig funktionieren. Um sie zu erneuern, werden sie in ihre Bausteine zerlegt und wieder neu zusammengesetzt. Die Neubildungsrate hängt dabei auch vom Training und der Ernährung
ab. Insgesamt kann ein Muskel also nur dann an Volumen zunehmen, wenn der Aufbau von Muskelproteinen den Abbau überwiegt. Ohne besonderes Krafttraining liegt Muskelaufbau und Abbau in einem
dynamischen Gleichgewicht.
Bei älteren Menschen, deren Proteinbiosynthese herunter gefahren ist, schlägt die Bilanz schnell ins Negative. Es werden weniger Muskelproteine neu gebildet als abgebaut. Dadurch kommt es, wenn
keine Gegenmaßnahmen in Angriff genommen werden, zu einem steten Muskelabbau. Dieser macht sich in einem schleichenden Gewichtsverlust, weniger Kraft und schnellerer Ermüdung der Muskulatur
bemerkbar und trägt insgesamt zur körperlichen Gebrechlichkeit im Alter bei.
Die Reduktion der Muskelmasse ist grundsätzlich eine normale Begleiterscheinung des Alterns. Sie kann aber besonders dann problematisch werden, wenn der Abbau von Muskeln zu stark ist. In diesem
Fall spricht man von Sarkopenie. Schätzungen zufolge sind etwa 5–13 % aller 60–70-Jährigen und bis zu 50 % der über 80-Jährigen davon betroffen. Unabhängig davon, wie schnell der Muskelabbau im
Einzelfall erfolgt, können einfache Gegenmaßnahmen dabei helfen, diesen Prozess auszubremsen.
Dem Muskelschwund entgegenwirken
Der wichtigste Schritt für den Erhalt von Muskelmasse ist natürlich Aktivität. Gerade im Alter ist regelmäßige Bewegung und Sport essentiell, um fit zu bleiben und den Körper vor Gebrechlichkeit
zu schützen. Zusätzlich spielt aber auch die Ernährung eine entscheidende Rolle.
Durch eine proteinreiche Ernährung wird der Aufbau von Muskelproteinen unterstützt. Das gilt nicht nur für Kraftsportler. Das Stichwort für Muskelaufbau im Alter ist hierbei anabole Resistenz.
Sie bezeichnet einen Zustand, bei dem der Schwellenwert für anabole Stimuli durch proteinreiche Ernährung angestiegen ist. Ältere Menschen müssen somit mehr Proteine zu sich nehmen, um den gleichen Effekt auf die Muskulatur zu erzielen
wie jüngere Menschen. Experten raten daher zu einer Erhöhung der täglichen Proteinaufnahme. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für ältere Menschen ab 65 eine tägliche Aufnahme von 1,0 Gramm Protein pro
Kilogramm Körpergewicht.
Eine Übersicht über proteinreiche Lebensmittel zeigt, dass Proteine sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Nahrungsmitteln vorkommen. Vegetarier sollten darauf achten, besonders proteinreiche pflanzliche Lebensmittel wie Nüsse oder Hülsenfrüchte zu verwenden, da ihnen die Proteine aus den tierischen Lebensmitteln fehlen. In ihrer Zusammensetzung unterscheiden sie sich zwar, ernährungsphysiologisch spielt das jedoch eine untergeordnete Rolle. Alle essentiellen Aminosäuren finden sich sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln. Auch wenn besonders tierische Lebensmittel als Proteinlieferanten bekannt sind, kann eine vegetarische Ernährung den Proteinbedarf eines Menschen somit problemlos abdecken.
Neben einer ausgewogenen Ernährung, die reich an proteinhaltigen Nahrungsmitteln (z.B. Eier, Fleisch, Fisch oder Hülsenfrüchte) ist, können auch bestimmte Proteinpräparate zum Einsatz kommen.
Diese Nahrungsergänzungsmittel haben einen besonderen Vorteil, denn sie enthalten oftmals eine Extraportion der Aminosäure Leucin.
Was hat es mit Leucin auf sich?
Leucin gehört zu den essentiellen Aminosäuren, muss also mit der Nahrung aufgenommen werden. Es findet sich in sämtlichen Proteinen, wobei tierische Proteine etwas mehr Leucin aufweisen.
Proteinhaltige Lebensmittel enthalten somit auf jeden Fall Leucin.
Besonders auf die Muskulatur wirkt Leucin anabol, also aufbauend. Es hemmt den Abbau von Muskelproteinen und stimuliert gleichzeitig die Neusynthese. Ein wichtiger Partner bei dieser Wirkung ist
das Protein mTOR. Dabei handelt es sich um ein Sensorprotein, das auf die Anwesenheit von Leucin reagiert und so eine Signalkaskade in Gang setzt. Diese führt zu einem Startsignal für die Bildung
von Muskelproteinen.
Interessanterweise wird mTOR als wichtiger Schlüsselfaktor des Alterungsprozesses diskutiert. Das Signalmolekül greift in einer ganze Reihe grundlegender Prozesse ein, die
allesamt mit zunehmendem Alter nicht mehr richtig funktionieren. Eine Stabilisierung seiner Funktion, wie sie unter anderem durch Leucin erfolgt, könnte somit insgesamt zu einem längeren Leben
beitragen. Das ist bisher aber reine Spekulation und muss in Zukunft genauer erforscht werden.
Unterschiedliche Studien konnten allerdings einen deutlichen Muskelaufbau bei älteren Menschen belegen. In einer Metaanalyse verglichen Forscher aus Wien 16 Studien mit insgesamt 999 älteren Probanden. In allen Studien zeigte
sich durch die Supplementierung mit Leucin eine Gewichtszunahme der Probanden, die auf einen Muskelaufbau zurückzuführen war. Dieser Effekt war bei Menschen mit Sarkopenie deutlich stärker
ausgeprägt, fand sich aber insgesamt bei allen Probanden.
In einer Studie aus Boston konnten
Wissenschaftler außerdem zeigen, dass bei älteren Menschen (Ü75) eine deutliche Korrelation zwischen der Aufnahme von Proteinen und der Häufigkeit von Hüftfrakturen besteht. Eine erhöhte
Proteinzufuhr reduzierte den Abbau der Muskulatur und sorgte somit für eine verbesserte Körperstabilität. Dadurch kommt es insgesamt zu weniger folgenschweren Stürzen.
Fazit
Eine ausreichende Versorgung mit Proteinen kann die Muskulatur im Alter deutlich stärken und damit die Lebensqualität insgesamt verbessern. Aus diesem Grunde sollte ab einem Alter von 65 Jahren
die tägliche Proteinzufuhr leicht erhöht werden. In der Regel genügt eine bewusste Ernährung mit einem Fokus auf proteinreiche Lebensmittel. Tägliche Bewegung ist außerdem essentiell für eine
gesunde Muskelfunktion.
Sollte die Ernährung problematisch sein, oder der Muskelabbau schon weiter fortgeschritten sein, so kann ein proteinreiches Nahrungsergänzungsmittel mit einer Extradosis Leucin verwendet werden.
Auch wenn solche Präparate frei verkäuflich sind, ist es stet ratsam, deren Einnahme mit dem Hausarzt zu besprechen.
Zur weiteren Information:
Meine Kollegen von BioWissKomm haben zum Thema Altern einen wunderbaren Stop-Motion-Film produziert, den ich sehr empfehlen kann.
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