Ein Heim für Spinnen

von Annika

Spinnen sind faszinierende Kreaturen, die oft als ungebetene Gäste in unseren Häusern gelten. Doch hinter ihrem schaurigen Image verbirgt sich ein ökologischer Nutzen, der nicht nur für das Gleichgewicht in der Natur wichtig ist, sondern auch für unsere Haushalte. Doch wer wohnt da eigentlich in dunklen Kellerecken und warum haben so viele Menschen Angst vor Spinnen?

Es ist ein vertrautes Szenario: Man sitzt gemütlich im Wohnzimmer, als plötzlich aus dem Augenwinkel eine dunkle Gestalt über die Wand huscht. Das Herz schlägt schneller, die Haare stellen sich auf – eine Spinne hat sich ins Haus geschlichen. Für viele Menschen ist der Anblick einer Spinne ein echter Schockmoment, der sofort den Drang auslöst, das ungebetene Krabbeltier loszuwerden. Doch warum lösen Spinnen solch starke Reaktionen aus, obwohl  sie in unserem Ökosystem eine wichtige Rolle spielen und für Menchen (zumindest bei uns) vollkommen ungefährlich sind ? In diesem Artikel werfen wir zunächst einen Blick darauf, wer sich eigentlich in unseren Wohnungen und Häusern breit macht. Anschließend schauen wir, was denn die Forschung zum Thema „Spinnenangst“ sagt.

 

Häufige Spinnenarten bei uns zu Hause

In unseren Häusern begegnet man immer wieder denselben Spinnenarten, die sich still und heimlich in Ecken und Winkeln einnisten. Sie haben ihre Lebensgewohnheiten perfekt an menschliche Behausungen angepasst und finden hier nicht nur Schutz vor Wind und Wetter, sondern auch ausreichend Nahrung. Doch welche Spinnen sind das eigentlich? Hier sind drei der häufigsten Vertreter:

 

Von Magne Flåten - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25527045
Von Magne Flåten - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25527045

Hauswinkelspinne (Tegenaria domestica)

 

Die Hauswinkelspinne ist ein häufiger Bewohner in unseren vier Wänden, was allein schon an ihrem lateinischen Namen abzuleiten ist. Mit einer Körperlänge von 8 bis 16 Millimetern und einer Beinspannweite von bis zu 10 Zentimetern hat sie eine recht beeindruckende Größe. Tatsächlich kann man sie auf harten Bodenbelägen manchmal sogar hören, wenn sie durch den Raum huscht. Weibchen sind in der Regel größer und kräftiger als die schlankeren Männchen. Ihr kastanienbrauner bis grauer Körper zeigt ein auffälliges Streifenmuster, das sie in ihren Netz-Ecken gut tarnen kann.

 

Die Hauswinkelspinne gehört zur Familie der Winkelspinnen, zu der auch andere Arten wie die Große Winkelspinne (Tegenaria gigantea) zählen. Diese Arten teilen sich ähnliche Lebensgewohnheiten und bauen trichterartige Netze, die sowohl als Jagdplatz als auch als Versteck dienen. Winkelspinnen bevorzugen ungestörte Orte wie Keller, Dachböden und selten genutzte Ecken in Wohnräumen.

 

Im Herbst zieht sich die Hauswinkelspinne oft in wärmere Bereiche des Hauses zurück oder verkriecht sich in Ritzen und Spalten, um den Winter zu überstehen. Obwohl ihr Anblick manchen Menschen einen Schauer über den Rücken jagt, ist die Hauswinkelspinne für uns harmlos. Ihr Gift ist nur für kleine Insekten gefährlich und stellt für den Menschen keine Bedrohung dar.

 

Eine spannende Tatsache über Winkelspinnen ist ihre bemerkenswerte Fähigkeit, ihre Netze extrem präzise zu spinnen. Die komplexen Netze sind nicht nur ästhetisch beeindruckend, sondern auch äußerst funktional und effizient im Fang von Beute.

 

Von Olei - Self-published work by Olei, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=331883
Von Olei - Self-published work by Olei, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=331883

Große Zitterspinne (Pholcus phalangioides)

 

Deutlich sichtbarer in unseren Häusern sind die Zitterspinnen, die sich gerne in den Ecken von Zimmerdecken aufhalten. Mit ihren bis zu 5 Zentimeter langen, dünnen Beinen sind sie leicht zu erkennen. Ihr Körper ist länglich und je nach Geschlecht zwischen 5 und 10 Millimetern lang, wobei die Weibchen tendenziell etwas größer sind. Wie bei allen Spinnen ist der Körper in zwei Hauptsegmente unterteilt: die Beine am vorderen, kleineren Segment und der größere Hinterleib, der die Spinndrüsen enthält. Dies unterscheidet sie klar von Weberknechten, die oft mit Zitterspinnen verwechselt werden. Weberknechte haben keine Spinndrüsen und daher keinen Hinterleib; ihr Körper besteht aus einem einzigen runden Segment.

 

Der Name „Zitterspinne“ rührt von ihrem besonderen Verhalten her: Bei Bedrohung beginnt sie heftig zu zittern und in ihrem Netz zu wackeln. Dieses Verhalten verwischt ihre Konturen und macht sie weniger sichtbar, während es gleichzeitig den Eindruck einer größeren Körpergröße erweckt, um Fressfeinde abzuschrecken. Zitterspinnen bauen ihre Netze häufig in hohen, ungestörten Bereichen wie hinter Regalen oder in Ecken, wo sie vor allem kleinere Insekten und andere Spinnen fangen.

 

Im Gegensatz zu vielen anderen Spinnenarten bleibt die Zitterspinne unabhängig von der Jahreszeit standorttreu und bleibt in ihrer bevorzugten Umgebung. Trotz ihrer zerbrechlichen Erscheinung ist sie ein geschickter und effektiver Jäger, der mit ihren langen Beinen auch größere Beutetiere wie Winkelspinnen überwältigen kann. Für uns Menschen ist die Zitterspinne völlig harmlos und sogar nützlich, insbesondere für diejenigen, die Spinnen nicht in ihrem Haus mögen. Sie fängt andere Spinnenarten, die unbemerkt durch das Haus schleichen, und bleibt dabei selbst einfach an ihrem Stammplatz.

 

Von André Karwath aka Aka - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=879284
Von André Karwath aka Aka - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=879284

Seispinne (Scytodes thoracica)

 

Die Seispinne ist weltweit verbreitet, bevorzugt draußen aber ein eher subtropisches Klima. Bei uns findet sie ideale Lebensverhältnisse in Häusern, weswegen ihre Ausbreitung in Mitteleuropa eng mit dem Menschen verknüpft ist.

 

Mit einer Körperlänge von etwa 5 bis 10 Millimetern ist sie eher unscheinbar und zieht deutlich weniger Aufmerksamkeit auf sich als ihre größeren Verwandten. Deutlich spektakulärer ist ihr Verhalten, denn die Seispinne hat eine in unseren Breitengraden einzigartige Methode, ihre Beute zu fangen: Sie produziert eine klebrige Substanz, die sie gezielt aus einer Distanz von bis zu 2 Zentimeter auf ihre Beute spukt. Die Beute wird mit diesem Sekret, das sich zickzackförmig über ihr ausbreitet, am Boden festgeklebt, sodass nun ganz in Ruhe der tödliche Giftbiss erfolgen kann. Mit dem Wissen um dieses Jagdverhalten ist es nicht verwunderlich, dass die Seispinne ansonsten eher gemächlich unterwegs ist. Hier besteht kein Grund zur Hektik.

 

Die Seispinne bevorzugt vor allem trockene und ruhige Umgebungen, weshalb sie häufig hinter Möbeln anzutreffen ist. Ihre Fähigkeit, sich unauffällig in diesen oft übersehenen Bereichen niederzulassen, macht sie zu einem erfolgreichen Überlebenskünstler in unseren Haushalten. Dort lauert sie und befreit ihre Umgebung von lästigen Insekten.

 

Warum haben so viele Menschen Angst oder Ekel vor Spinnen?

Die Angst oder das Ekelgefühl, das viele Menschen gegenüber Spinnen empfinden, ist ein faszinierendes Beispiel für die komplexe Beziehung zwischen menschlicher Psyche und Umwelt. Obwohl die meisten Spinnen für Menschen völlig harmlos sind, zeigt die Forschung, dass unsere Reaktionen auf diese Tiere stark durch unsere evolutionäre Vergangenheit geprägt sind.

 

Eine Studie von Landová et al. (2023) liefert wertvolle Einblicke in die Mechanismen, die zu der Angst vor Spinnen beitragen. Die Forscher nutzten Eye-Tracking-Techniken, um die Aufmerksamkeits-, Verhaltens- und emotionalen Reaktionen von Teilnehmern unter anderem auf Spinnen zu untersuchen. Ein interessanter Befund der Studie ist, dass Teilnehmer mit Spinnenangst teilweise auch auf Krabben stark reagieren, obwohl letztere nicht bewusst von den Probanden als Angtauslöser benannt wurden. Die Forscher deuten dies als Hinweis darauf, dass die Angst vor Spinnen möglicherweise auf eine allgemeine Angst vor Tieren zurückzuführen ist, die eine ähnliche Erscheinung wie Spinnen haben, aber eine tatsächliche Bedrohung dargestellt haben, z. B. giftige Skorpione oder unangenehme Lausfliegen. Da wir Spinnen aber deutlich häufiger begegnen haben wir quasi eine Art angeborene generalisierte Angst vor ähnlichen Tieren entwickelt.

 

Eine weitere Studie von Zsido et al. (2022) bietet wertvolle Einblicke in die Beziehung zwischen Naturverbundenheit und der Angst vor Spinnen. Die Forscher untersuchten, ob eine starke Verbindung zur Natur mit weniger Angst vor Spinnen korreliert und konnten zeigen, dass ein solcher Zusammenhang tatsächlich besteht. Das bedeutet, dass Menschen, die in städtischen Umgebungen leben und wenig Kontakt zur Natur haben, eher Angst vor Spinnen haben als Menschen auf dem Lande. Auch wenn dieses Ergebnis vielleicht wenig wundern lässt, unterstreicht es doch die Tatsache, dass unsere Einstellungen und Erfahrungen mit der Natur unsere Ängste beeinflussen können. Das ist natürlich auch spannend für Menschen, die eine  ausgeprägte Spinnenangst haben. Denn laut der Autoren der Studie könnte der Aufbau einer positiven Beziehung zu Natur und Umwelt auch eine bestehende Angst deutlich abschwächen.

 

Zusammenfassend zeigen beide Studien, dass unsere Angst vor Spinnen zwar tief verwurzelt ist, aber dennoch durch Umweltfaktoren und Erfahrung beeinflusst werden kann. Tatsächlich scheint die Angst vor Spinnen weniger eine spezifische Reaktion auf diese Tiergruppe zu sein, sondern ist auch ein Spiegelbild unserer persönlichen Beziehung zur Natur. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Naturerfahrungen und positiven Umweltbeziehungen als mögliche Ansätze zur Reduzierung von Tierängsten und Phobien.

 

Ein erster Ansatz könnte darin bestehen, Spinnen in unsern Häusern wohnen zu lassen.

 


Literatur:

 

Landová E, Štolhoferová I, Vobrubová B, Polák J, Sedláčková K, Janovcová M, Rádlová S, Frynta D. Attentional, emotional, and behavioral response toward spiders, scorpions, crabs, and snakes provides no evidence for generalized fear between spiders and scorpions. Sci Rep. 2023 Nov 28;13(1):20972. doi: 10.1038/s41598-023-48229-8. PMID: 38017048; PMCID: PMC10684562. doi: 10.1038/s41598-023-48229-8.

  

Zsido AN, Coelho CM, Polák J. Nature relatedness: A protective factor for snake and spider fears and phobias. People and Nature, vol. 4, issue 3, pp. 669-682. June 2022. doi: 10.1002/pan3.10303.

 


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