Die ferngesteuerte Ameise

Es ist ein schöner sonniger Tag an einer idyllischen Wiese. Ein paar Schafe grasen, Schmetterlinge fliegen durch die Luft, Ameisen krabbeln umher. Einige von ihnen haben den Boden verlassen und kletterten auf die höchsten Blüten oder Grashalme. Plötzlich kommt ein Schaf den Ameisen sehr nahe, die meisten krabbeln schnell beiseite. Nur diejenigen an den obersten Spitzen der Wiese verharren. Ihre Kiefer sind fest in den Pflanzen verkrampft. Sie können dem hungrigen Schaf nicht entfliehen und werden schließlich einfach mit gefressen. Das Ende einer Ameise, aber die Weiterreise unzähliger kleiner Tierchen, die sich im gesamten Ameisenkörper befinden und nur ein Ziel haben: In dem Magen des Schafes zu landen.

 

 

Bei diesem Tierchen handelt es sich um einen 5-15mm kleinen Wurm, den kleinen Leberegel. Dieser Parasit verbringt seinen Lebenszyklus in insgesamt 3 unterschiedlichen Wirten. Erwachsene Würmer leben in den Gallengängen von Schafen, Kühen oder anderen großen Weidetieren. Hier paaren sie sich und geben ihre Eier über den Darm des Wirtes ab. Auf der Wiese angekommen, werden die Eier irgendwann von Schnecken gefressen. Im Darm der Schnecke schlüpfen aus den Eiern winzige Wimpernlarven, die sich ohne Schaden anzurichten durch den Darm bohren und im Hepatopankreas verschanzen. Funktionell ist das die Leber der Schnecke. Dort vermehren sie sich vegetativ und bilden Tausende Zerkarien, ein weiteres Larvenstadium. Wenn die Zerkarien voll entwickelt sind, wandern sie in die Atemhöhle der Schnecke und werden dort zu Hunderten in kleinen Schleimkugeln von der Schnecke ausgesondert.

 

Diese Schleimkugeln werden schließlich von Ameisen gegessen. Die enthaltenden Zerkarien wandern dort in die Leibeshöhle und kapseln sich ein. Jetzt muss die Ameise nur noch von einem Weidetier gefressen werden und die Wurmlarven haben ihr Ziel erreicht. Da sie es aber nicht ausschließlich dem Zufall überlassen wollen, wandert eine einzige Zerkarie in das zentrale Nervensystem der Ameise und beeinflusst dort ihr Verhalten drastisch. Die Ameise klettert von dem Wurm ferngesteuert auf die höchste Spitze einer Pflanze und beißt sich dort fest. Die Beißwerkzeuge der mit Larven gefüllten Ameise verkrampfen sich dermaßen, so dass sie sich nicht befreien kann. An diesem höchsten Punkt ist die Chance gefressen zu werden deutlich größer. In stark befallenen Gebieten hängen die Ameisen in ganzen Trauben an den Grashalmen und warten auf ihren sicheren Tod, um Tausenden kleinen Leberegeln einen neuen Lebenszyklus zu ermöglichen.

 

Nachdem die Ameisen verdaut wurden, wandern die Larven in die Gallengänge, reifen zu erwachsenen Tieren heran, finden hier neue Geschlechtspartner und legen Eier. Etwa 6 Monate nachdem das erste Ei gelegt wurde, beginnt der Zyklus wieder von vorne.