Warum unser Gehirn altert und wie wir es fit halten können

Biologisches Altern ist zum Großteil eine Folge vieler kleiner Schädigungen auf molekularer Ebene, die sich im Laufe des Lebens ansammeln und letztlich dazu führen, dass einzelne Zellen und später auch ganze Organe nicht mehr ganz so gut funktionieren, wie sie es sollten.

 

Die Bausteine des Lebens, Proteine, DNA und auch ganze Zellen werden permanent durch Schädigung von außen (z.B. UV-Strahlung oder Schadstoffe) beeinträchtigt. Weitere Gefahren können auch direkt vom Körper selbst kommen. So z.B. freie Radikale, extrem reaktive und zerstörerische Molekülfragmente, die ein Produkt des normalen Stoffwechsels sind.

 

Unser Körper hat viele Möglichkeiten entwickelt, sich vor diesen Gefahren zu schützen und entstandene Schäden zu beheben, aber es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Irgendwann sind die Schädigungen und Mutationen so zahlreich, dass sie nicht mehr repariert werden können. Unser Körper altert.

Eine Möglichkeit, den Organismus vor diesem Prozess zu schützten, ist die stetige Erneuerung von Zellen. Durch Zellteilung und Differenzierung wird im Laufe unseres Lebens ein Großteil des Körpers nachgebaut und mit der Zeit sogar ganze Organe komplett erneuert. Allerdings ist auch Zellteilung nicht unendlich möglich, wie uns schon vor vielen Jahren das Klonschaf Dolly zeigte.

 

An den Enden der DNA jeder Zelle hängen sogenannte Telomere. Das sind lange Proteinketten, die vor allen Dingen der Stabilität des Chromosoms dienen und die bei jeder Zellteilung ein wenig kürzer werden. Unterschreitet die Telomerenlänge ein kritisches Minimum, kann die Zelle sich nicht weiter teilen und stirbt. Das Klonschaf Dolly wurde aus erwachsenen Zellen eines Spenderschafes erzeugt. Diese Zellen hatten bereits verkürzte Telomere und konnten sich entsprechend nicht mehr so häufig teilen. Dolly wurde nur 6 Jahre alt und zeigte starke Alterserscheinungen wie z.B. Arthritis. Schafe haben normalerweise eine Lebenserwartung von 13 Jahren.

 

Die Nervenzellen des zentralen Nervensystems werden zeitlebens nicht erneuert. Dieser hochsensible Zelltyp bildet im Laufe seines Lebens sehr komplexe Verbindungen und Netzwerke untereinander aus. Dabei kann eine einzelne Nervenzelle mit bis zu 10 000 anderen Nervenzellen über Verbindungen, sogenannter Synapsen, miteinander kommunizieren. So eine komplexe Struktur mit frischen Zellen zu erneuern ist quasi unmöglich. Es ist also kein Wunder, dass gerade das Gehirn im Alter die stärksten Anzeichen macht, nicht mehr richtig zu funktionieren.

 

Eine Reihe von Studien konnten zeigen, dass die graue Substanz, das ist der Teil unseres Gehirns in dem die Zellkörper der Nervenzellen liegen, mit zunehmenden Alter stetig an Volumen verliert. Gleichzeitig nimmt die weiße Substanz, das ist der Teil in dem die Nervenfasern laufen und die schon beschriebenen komplexen Verbindungen miteinander eingehen, zunächst stark an Volumen zu, um dann, etwa um die 40, dieses auch langsam wieder zu verlieren. Insgesamt stellt sich also ein deutlicher Volumenverlust unseres Gehirns etwa ab dem 30. Lebensjahr dar.

 

Dieser Verlust bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Mit zunehmendem Alter zeigen sich deutliche Defizite in der Auffassungsgabe, der Sinneswahrnehmung der Motorik und des Gedächtnisses.

 

Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: Unser Gehirn ist nämlich plastisch! Das bedeutet, dass es in der Lage ist Defizite zu kompensieren und sogar ganze Funktionen von einem Teil des Gehirns in einen anderen zu verlagern. Wichtig hierfür ist vor allen Dingen, es regelmäßig ausgiebig zu nutzten. Das Gehirn arbeitet ähnlich, wie ein Muskel. Wenn man es nicht benutzt, verkümmert es, aber wenn man es viel nutzt, kann es einen altersbedingten Zellverlust wirklich sehr gut kompensieren. Auch eine gesunde Ernährung, Bewegung und eine Reduktion von Stress sind wichtige Punkte, die auch zur Gesundheit unseres Gehirns beitragen.

 

Ein schönes Beispiel, dass alle diese Punkte vereint, bildet die inzwischen schon berühmt gewordene „Nonnenstudie“ der Kentucky University. Hierbei wurden etwa 600 amerikanische Nonnen zwischen 76 und 106 Jahren untersucht. Aufgenommen wurden Daten über ihren Lebenswandel, soziale und intellektuelle Fähigkeiten, sowie Ergebnisse aus anatomischen Untersuchungen an ihren Gehirnen nach ihrem Tode.

 

Zum einen stellte sich heraus, dass die Nonnen auch im hohen Alter noch sehr agil und vor allen Dingen geistig fit waren. Zum anderen zeigten die anatomischen Untersuchungen aber sehr deutliche altersbedingte Abbauprozesse im Gehirn, teilweise sogar stark ausgeprägte Alzheimer Plaques, die keineswegs mit der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Frauen zu Lebzeiten korrelierte. Ihre Gehirne konnten die anatomischen Defizite kompensieren!

Einen ruhigen und wenig stressigen Lebenswandel, gesunde Ernährung und eine ständige intellektuelle Auseinandersetzung zu unterschiedlichen Themen mit ihren Mitmenschen haben all diese Nonnen gemeinsam. Es scheint ein gutes Rezept für ein fittes Gehirn im Alter zu sein.